23.03.2021

IHK-Positionspapier zum geplanten Lieferkettengesetz

IHK-Positionspapier zum geplanten Lieferkettengesetz
Ja zu Menschenrechten, nein zu Bürokratie

Die lippische Wirtschaft unterstützt weltweit die Einhaltung der Menschenrechte und ist bereit, sich dafür noch stärker zu engagieren. Das geplante Lieferkettengesetz der Bundesregierung lehnen die Unternehmen dagegen ab. Die Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer Lippe zu Detmold (IHK Lippe) verabschiedete dazu jetzt mit breiter Mehrheit ein Positionspapier. Darin kritisiert die Wirtschaft vor allem die hohen Kosten, den bürokratischen Aufwand und die unkalkulierbaren Haftungsrisiken, die mit dem Gesetz verbunden sind. IHK-Präsident Volker Steinbach nennt den Gesetzentwurf ein „bürokratisches Monstrum“, das deutlich über das Ziel hinausschieße. „Es kann nicht sein, dass deutsche Unternehmen Haftung für die gesamte Lieferkette übernehmen sollen – vor allem, wenn sie viele der ausländischen Vorlieferanten noch nicht einmal kennen“, kritisiert Steinbach.
Anfang März hatte die Bundesregierung einen Gesetzentwurf über die „unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten“ auf den Weg gebracht. Das Gesetz selbst soll noch vor der Sommerpause verabschiedet werden. Ziel ist, weltweit die Menschenrechte zu stärken. Um das zu erreichen, werden deutsche Unternehmen über 1.000 Beschäftigte ab 2024 mit umfangreichen Prüf- und Kontrollpflichten belegt. Bei erkannten Verstößen gegen die Menschenrechte sollen sie weltweit in der gesamten Lieferkette Maßnahmen ergreifen – selbst bei Firmen, mit denen gar keine unmittelbare Vertragsbeziehung besteht. Im Zweifel drohen empfindliche Sanktionen, z. B. Bußgelder, die je nach Firmengröße Millionenhöhe erreichen können.
Vollkommen realitätsfremd und unzumutbar nennt das die IHK Lippe. „Wie soll ein deutscher Mittelständler Einfluss auf einen multinationalen Konzern ausüben, der in Afrika Bodenschätze abbaut?“, fragt sich Volker Steinbach. Der IHK-Präsident hat große Sorge, dass das Gesetz deutsche Firmen im internationalen Wettbewerb benachteiligt. In dem Zusammenhang sieht er noch ein weiteres Problem. „Wenn deutsche Firmen mit ihren weltweit hohen Sozial- und Arbeitsstandards aus dem Markt gedrängt werden, werden die Lücken vom ausländischen Wettbewerb gefüllt – im Zweifel mit niedrigeren Standards. Das ist kein Fortschritt, sondern ein Rückschritt bei der Verbesserung der Menschenrechte. Wem ist damit gedient?“
Die IHK Lippe sorgt sich auch darum, dass nicht nur Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten von dem Gesetz berührt werden. „Viele kleinere Firmen sind vertraglich sowie in Compliance- und Zertifikatsregeln an die Vorgaben ihrer größeren Firmenpartner gebunden“, weiß Andreas Henkel, IHK-Geschäftsführer International. Damit stünden sie praktisch genauso im Risiko und in der Haftung wie die unmittelbar vom Gesetz Betroffenen. Und das in einer Situation, in der viele Unternehmen mit den Konsequenzen der Corona-Pandemie kämpften.
Es sei auch nicht nachvollziehbar, wieso die deutsche Politik mit einer Einzellösung vorpreschen wolle, so die IHK. Besser sei eine Lösung auf europäischer Ebene. „Die EU arbeitet bereits daran. Noch vor der Sommerpause will die Kommission einen Entwurf vorlegen“, informiert Andreas Henkel. Es gebe deshalb überhaupt keinen Grund für einen nationalen Alleingang. Wenn der doch käme, müsse der Gesetzentwurf zumindest deutlich überarbeitet werden. Die IHK Lippe hat dafür auch die hiesigen Abgeordneten um Unterstützung gebeten.